Ein Mal monatlich werde ich in diesem Blog geglückte, glückliche Momente festhalten, und ebenso die unglücklichen, welche, die zum Nachdenken anregen, und welche, die einen kleinen Einblick bieten in das, was die Kinder und ich miteinander erleben und erarbeiten.
Kathrin Feldmann, Ganztagspädagogin
Zum Glück wird es jeden Morgen wieder hell
Zum Glück wird die Sonne scheinen und der Regen fallen in ewigem Wechsel
Zum Glück fallen die Sterne nicht aus der Nacht heraus
Zum Glück wachsen Blumen, Bäume, das Gras ohne mein Zutun
Zum Glück habe ich zwei Arme zu umarmen, zwei Hände zu berühren, eine Nase zu riechen, einen Mund zu schmecken, ein Herz zu fühlen – was Glück bedeutet
Zum Glück habe ich Augen, Schönheit zu sehen und einen Tastsinn durch weiches Fell zu streichen
Zum Glück habe ich Ohren, die Musik der Vögel und des Windes zu hören
Zum Glück bin ich damit nicht allein
Zum Glück habe ich die Möglichkeit in jedem Moment neu zu beginnen, neu zu sehen, neu zu denken und zu sein
Zum Glück habe ich Beine, meine Richtung zu ändern
Zum Glück werde ich geatmet durch etwas, das viel größer und weiser ist als ich es jemals sein werde
Zum Glück gibt es Worte, um meine Wahrheit auszusprechen, meinen Dank, um Hilfe zu bitten und um Verzeihung
Zum Glück bin ich, bist Du, ist Alles.
Glück
Dankbarkeit
Es ist still. Nur der Wind rauscht durch die großen Bäume vor dem Klassenzimmer, ein wenig Erfrischung bei der Hitze, die uns im Juni im Klassenzimmer kaum mehr denken lässt. Was höre ich: in der Ferne ein Auto, Kinderstimmen, einen Vogel, den Wind. Aufmerksamkeit für die Stille und das Jetzt in all der lauten Hektik des Schulalltages.
Was ist Dankbarkeit und wo im Körper kann man sie fühlen? Was macht mich dankbar und wie fühle ich mich, wenn ich Dankbarkeit empfinde?
Es gibt es ein paar Minuten Spürzeit, die der Gong meiner Klangschale beendet.
Vor den Kindern liegt ein weißes Blatt Papier, auf dem sie nun festhalten, wofür sie dankbar sind. Anschließend werden die Ergebnisse unter dem Overheadprojektor vergrößert.
Dankbarkeit ist, wenn man froh ist, dass etwas so gut ist wie es ist.
Wenn man den Wind rauschen hört, einen Vogel, genug zu essen hat, Freunde und Familie.
Man fühlt sie im Herzen, auch in den Augen, wenn sie etwas Schönes sehen und im Mund, der DANKE sagt.
Ich fühle mich glücklich und leicht und verbunden, wenn ich Dankbarkeit empfinde.
Hitze
Die Hitze machte uns allen zu schaffen. Ein paar Male legten wir eine kurze Siesta ein, währenddessen einige Kinder tatsächlich einschliefen und uns an anderen Tagen baten, wieder Schlafen zu dürfen.
Oder wir nahmen eine kleine Erfrischung im Bach, wo es allerlei zu entdecken gab: kleine Muscheln, winzige Fische, bunte abgerundete Glasscherben..
Und wieder einmal kam eine Reporterin zu uns in den Unterricht – hier das Ergebnis, mit ein paar nicht ganz korrekten Einzelheiten: wir sind nicht 14-tägig sondern mit 4 Wochenstunden bei den Kindern, und Glück und Demokratie sind keine Wahlfächer sondern fester Bestandteil des Ganztagesunterrichts.
Wunschwesen
Natürlich können Wunschwesen Wünsche erfüllen, aber nicht nur. Mit ihnen spricht man in einer geheimen Sprache und sie sind immer da, wenn man sie ruft. Zum Beispiel, wenn man sich einsam fühlt. Manchmal sind sie auch frech: dann verstecken sie einen Schuh, naschen von der Brotzeit oder zerknittern Papier. Schließt man die Augen, kann man sie sehen und mit ihnen Abenteuer erleben.
Wir haben einen Teil der Serie „Pumuckel“ angesehen. Die Wenigsten kennen den kleinen Rotschopf, auch Pippi Langstrumpf, Die Kinder aus Bullerbü und die Klassiker, mit denen wir aufgewachsen sind, sind unbekannt.
Ich habe Sorge, dass eine ganze Reihe wertvoller Kinderkultur ins Vergessen gerät und abgelöst wird von schnell und billig produzierten Inhalten wie Stitch, wonach die Kinder vollkommen wild sind: Stitch-Kleidung, Stitch-Taschen, Stifte, Jacken…
Die Kinder sind fasziniert davon, auch von Roblox, das in der Schule verboten ist und von dem sie nicht nur die Kinderversion nutzen.
Überhaupt konsumieren die meisten Kinder viel mehr Medien, als den Eltern wahrscheinlich bewusst sind. Oft haben sie Zugang zu brutalen Inhalten, deren Bilder sie nicht verstehen und verarbeiten können.
Es gibt wieder vermehrt Streitereien in der Pause, bei denen es auch zu Handgreiflichkeiten kommt. Neulich standen fünf Jungs um ein auf dem Boden liegendes Mädchen herum, das diese zuvor geärgert hatte, und kickten es mit den Füßen in die Seite. Nicht besonders fest, aber allein diese Handlung ist den Jungs aus Filmen bekannt, die sie auf einschlägigen Kanälen schauen, wie sie selbst zugaben.
Wir haben lange und ausführlich darüber gesprochen, die Hinweise an die Eltern lagen im Sekretariat schon bereit, doch in der Zwischenzeit hatte jeder Junge dem Mädchen einen ausführlichen Entschuldigungsbrief geschrieben: sie haben sich so provoziert gefühlt, dass sie sich nicht mehr kontrollieren konnten.
Das Mädchen bat, dass ich die Hinweise nicht abschicke. Doch im Zuge dessen sprachen wir über Skills, die andere Möglichkeiten bieten als zu treten, zu schlagen, zu schreien, wenn man geärgert wird. Und darüber, was man tun kann, um Wut besser kontrollieren zu können: Schreien, mit dem Fuß fest aufstampfen, schnell rennen, mit anderen sprechen, Hilfe holen.
Zeugnisse
Die Kinder haben sich selbst ein Zeugnis geschrieben: Auf der Vorlage, die sie dazu bekamen, konnten sie beschreiben, was sie besonders gut können, auch außerhalb der Schule, oder was sie gut gemacht haben, wo sie sich gerne verbessern möchten, worauf sie stolz sind, worin sie sich gesteigert haben.
Ich kann besonders gut: helfen, andere zum Lachen bringen, meine Brotzeit teilen, schnell rennen…
Ich möchte mich in Mathe verbessern, im Helfen von Mama im Haushalt, im weniger Streiten…
Ich bin stolz darauf, dass ich schöne Haare habe, gut lesen kann, gut Tore schießen kann, dass wir ein großes Auto haben..
Doch nicht nur sich selbst, sondern auch uns, Frau Stajkovic und mir stellten die Kinder Zeugnisse aus.
Es ging darum, unser allgemeines Verhalten zu beurteilen und den Unterricht, ob wir gerecht sind, uns an Regeln halten, die wir selbst aufgestellt haben, ob wir Vorbilder sind, auch, was wir verbessern sollten.
Im Großen und Ganzen können wir sehr zufrieden sein, doch was moniert wurde war: weniger schreien. Und gewünscht: mehr rausgehen, mehr Spiele spielen, weniger malen..
Ja, weniger schreien, auch wenn die Kinder mich überschreien, das nehme ich mir fest vor fürs nächste Schuljahr!
Demokratie
Wir sahen uns einen kurzen Film über einen hochstehenden, allgemein verehrten tibetischen Mönch an, der in diversen herausfordernden Situationen mit Freundlichkeit, Liebe oder Nichtbeachtung reagierte, als ein Mann ihn mit allen möglichen Mitteln zu provozieren und zu schwächen versuchte, um ihn zu Fall zu bringen.
Die negative Energie erreichte ihn jedoch nicht, im Gegenteil, sie änderte, weil er sie nicht annahm, ihre Richtung und fiel auf den Täter zurück.
Die drei Schlagworte seiner Reaktion heißen dabei: Ignorieren, Freundlichkeit, Liebe.
In Rollenspielen stellten jeweils zwei Kinder erdachte Situationen dar, in denen Einer den Anderen ärgert. Mit Hilfe der drei obigen Reaktionsmuster prallten die Provokationen ab, so dass der Geärgerte gewaltfrei als stolzer Gewinner hervorging.
Selbstachtung:
Obige Haltung steigert die Selbstwirksamkeit, denn man hat gut für sich gesorgt. Und daraus wiederum resultiert Selbstachtung und hieraus Selbstvertrauen.
Selbstwirksamkeit:
Wenn man ein Ziel vor Augen hat, gibt es einen Weg dorthin. Wie man diesen Weg beschreiten und gestalten möchte, kann jeder sich selbst zuvor überlegen.
Erfahrungen aus der Vergangenheit können dabei helfen, bei einem Freund oder Berater kann man um Hilfe bitten oder einem Vorbild folgen.
Eine schlechte Note lässt sich verbessern, indem man übt. Vielleicht fertigt man sich dafür einen Übeplan an, holt sich Hilfe. Man hat es selbst in der Hand, übernimmt selbst für sich die Verantwortung. Hat man sein Ziel dann dadurch erreicht, so steigt der Selbstwert, die Selbstachtung, der Respekt vor dem eigenen Können.
Durch gezielte Körperübungen haben die Kinder erfahren, was es bewirkt, wenn man aufrecht steht, mit leicht gebeugten Knien, so dass es Kontakt zur Erde gibt, gerader Blick, Bauch raus für frei fließenden Atem, am Scheitel durch eine unsichtbare Schnur nach oben gezogen, locker in den Hüften.
Kriegerinnen und Krieger, Königinnen, Ritter, Drachen standen da vor mir, so beschrieben sich die Kinder. In dieser Haltung sind Ärgernisse weniger ärgerlich und Probleme schrumpfen oder lösen sich ganz auf. Durch diese würdige Haltung wird klar:
Du kannst schaffen, was Du Dir vorgenommen hast, wenn Du Dich in Dir selbst stark fühlst!
Ich kann! Ich will! Ich werde!
Wer an sich glaubt, erreicht mehr.
Wann glaubst Du an Dich?
Was hast Du in letzter Zeit getan, worauf Du stolz bist?
Was kannst Du, worauf Du stolz bist?
Was findest Du an Deinen Vorbildern besonders gut? Kannst Du das auch erreichen?
Wer in Deinem Leben macht Dir Mut, wenn Du mal das Gefühl hast, nicht genug wert zu sein, etwas nicht gut genug
gemacht oder versagt zu haben?
Diese Fragen haben die Kinder sich selbst beantwortet, bevor wir darüber sprachen und für Diejenigen „Buddies“ gefunden wurden, die sich zu wenig unterstützt fühlen.
Werte und Bewertung
Auch über Werte sprechen wir in diesem Zusammenhang. Jemand, der schlechte Noten schreibt ist niemals weniger wert als Jemand, der Bessere schreibt. Nur die Beurteilung für diese eine Sache fällt zu Gunsten des Einen bzw. Ungunsten des Anderen aus, doch gibt es ganz andere Maßstäbe und andere Situationen, die zu ganz anderen Ergebnissen führen.
Immer wieder werden wir auch in der dritten Klasse über derartige Themen sprechen, um sie weiter zu vertiefen und in den Alltag zu integrieren.
Projekt Zukunft
Wieder einmal machten wir uns auf den Weg zum Botanischen Garten, dieses Mal mit dem Ziel des „Museum Mensch und Natur“.
Nachhaltigkeit:
Geplant war hier ein Workshop zum Thema Nachhaltigkeit mit dem Titel „17 Ziele für unsere Erde“, doch die Kinder stellten so viele wirklich interessante und fundierte Fragen zur Entstehung der Erde, deren Entwicklung und möglicher Zukunft, dass die wirklich ungemein begeisterungsfähige Referentin nur das Thema „Wasser“ wirklich darstellen konnte: unsere Süßwasservorräte neigen sich dramatisch schnell dem Ende, wenn wir unsere Gewässer nicht mehr schützen, indem wir weniger Pestizide und Lösungsmittel hineinschütten und generell weniger Wasser verschwenden.
Noch diesen Herbst wird es einen Workshop an der Schule geben, in dem die Kinder mit der Biologin weitere Fragen werden klären können. Sie wird Anschauungsmaterial mitbringen und vor allem: viel mehr Zeit!
Ich war ebenso begeistert wie die Kinder und sehe wieder einmal: so lebendig kann Bildung sein, so begeistert sind unsere Kinder, wenn wir sie mit wirklich wichtigen Fragen die Erde und die Umwelt betreffend konfrontieren. Sie wollen helfen, es gut machen, wirksam sein und dadurch ein wertvoller Teil der Menschheitsfamilie.
Vision: Wunsch-Schule der Zukunft
Niemals zuvor habe ich die Kinder so eifrig und engagiert erlebt, als beim Gestalten der Modelle ihrer Wunsch-Schule. In Teams von 3 bis 5 Kindern lagen sie stundenlang auf dem Boden umgeben von Stiften, Linealen, Scheren und Papieren und malten und zeichneten und klebten immer wieder neue Blätter an, um ihre Schulen noch mehr zu erweitern. Anschließend stellten die Teams ihre jeweilige Schule vor und zuletzt wurde demokratisch abgestimmt, welche zwei Schulen in 3-D aus Kartons gebaut werden sollten. Dazu machten wir uns auf den Weg ins Jugendhaus Karlsfeld, wo ich zuvor allerlei Bastelutensilien bereitgestellt hatte. Zusätzlich durften wir uns aus dem wunderbar reichhaltigen Fundus der Werkstatt dort bedienen. Auf dem Hinweg sammelten die Kinder begeistert Müll, der heftige Wind verfing sich in den Tüten und blähte sie auf – und manchmal auch fort.
Das Ergebnis:
Möglicher Stundenplan
Hier ein kurzer Film über unsere Ausstellung der „Zukunfts-Schulen“:
https://photos.app.goo.gl/HLFJw51XGmvh27xc7
Damit geht wieder ein Schuljahr zu Ende – so schnell, so voller Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse. Geteilter Kummer, geteilte Freude neben Ratlosigkeit und Inspiration, Gelingen und Scheitern. Und doch: es hat sich gelohnt zu kämpfen, zu erklären und zu klären. Wir sind weiter zusammengewachsen, lernen uns besser kennen und schätzen, untereinander und selbst. Und die wunderbaren Worte der Eltern und deren so liebevoll ausgewählten Geschenke für uns am letzten Schultag zeigen, dass unsere Arbeit Wellen schlägt bis nach Hause und wirklich sinnvoll ist.
Danke für diese Möglichkeit!
Zuletzt statt einer Glücksgeschichte dieses Mal eine Anregung, ein Impuls zur Aktivierung von Selbstwirksamkeit:
Das PERMA-Modell von Martin Seligman, das besagt, dass wir unser Glück und unsere Zufriedenheit selbst aktiv beeinflussen können mit den 5 PERMA-Elementen.
https://zurechtpsychologie.at/perma-modell-martin-seligman/
Frohe Ferien Ihnen allen mit Ihren Kindern und Familien und ein gesundes Wiedersehen im Herbst!!