„Jeder ist seines Glückes Schmied.“
Wirklich?
Ist demnach jeder auch seines Unglücks Schmied?
Ein Bergsteiger, nach einem Unfall gelähmt, fühlt sich mit diesem Satz vielleicht angeklagt, an seinem Unglück selbst Schuld zu sein… Doch hat er auch in diesem Schicksal noch eine Wahl. Nämlich die der eigenen Sichtweise und Bewertung seiner Lage. So sollte das Sprichwort besser heißen:„Jeder sei seines Glückes Schmied.“
Diese Formulierung lässt Jedem die Freiheit, seine Sicht auf die gegebenen Umstände zu verändern.
Damit sind wir bei der Eigenverantwortung, die in Selbstwirksamkeit mündet.
Der Bergsteiger kann vielleicht seiner Situation Momente abgewinnen, die er als Glück bezeichnen würde, das er vorher so nicht kannte, indem er sie annimmt und seinen Blick darauf und auf das Leben ändert. Damit ist er nicht länger nur Opfer seiner Situation, sondern gestaltet sie selbst aktiv durch einen veränderten Blickwinkel.Glück ist eine Entscheidung, kein Schicksal. Es bedeutet nicht das Beste von Allem zu haben, sondern das Beste aus Allem zu machen.
„Schenkt das Leben Dir Zitronen, so mach Limonade draus.“ (brasilianisches Sprichwort)
… und darum möchte ich mit euch teilen, was das Glück mir beschert, wenn ich mich mit den Kindern der Klassen 1a und 1b der Verbandsgrundschule und der 2f der Grundschule Krenmoosstraße in Karlsfeld auf Glückssuche begebe.
Ein Mal monatlich werde ich in diesem Blog geglückte, glückliche Momente festhalten, und ebenso die unglücklichen, welche, die zum Nachdenken anregen, und welche, die einen kleinen Einblick bieten in das, was die Kinder und ich miteinander erleben und erarbeiten.
Kathrin Feldmann, Ganztagspädagogin
„Frau Feldmann, der hat mir die Zunge rausgestreckt.“
„Und was kannst Du jetzt tun?“
„Ich könnte einfach in eine andere Richtung schauen..“
„Die sagt, dass ich ein Baby bin.“
„Hast Du die Hier-rein-da-raus-Übung gemacht?“
Die Schülerin deutet mit dem Zeigefinger der rechten Hand zum rechten Ohr, und mit dem der linken Hand vom linken Ohr weg und spricht lachend „Hier rein da raus“ dazu.
Dies sind Beispiele von Verantwortung für sich selbst übernehmen, indem eine Strategie angewendet wurde, sich aktiv aus einer unguten Situation zu befreien.
Beide Schüler haben erfahren, dass sie eine Wahl haben, und erleben dadurch Selbstwirksamkeit. Und Selbstwirksamkeit macht glücklich.
In den Glücks- und Demokratiestunden gleichermaßen geht es darum momentan um:
Verantwortung
Verantwortung für mich übernehmen:
Ist dies ein lustiges oder ein trauriges Gesicht?
Ist das Glas halb voll oder halb leer?
Die meisten Schüler*innen haben ein lustiges Gesicht und ein halbvolles Glas gesehen, die paar, die das anders sahen, waren an diesem Tag eher traurig gestimmt und haben gleich mal eine Portion Glück erhalten. Anschließend veränderte sich ihre Wahrnehmung.
Wir haben Beispiele gesammelt, wie man Verantwortung für sich selbst übernehmen kann, und sind dabei auf Möglichkeiten wie schon oben erwähnt gekommen: Wegschauen, wenn Jemand eine Grimasse schneidet, die uns ärgert, die Hier-rein-da-raus-Übung anwenden oder Ignorieren. Durchatmen und sich Anderem zuwenden. Somit verflüchtigt sich mancher Konflikt, bevor er überhaupt zum Streit eskaliert.
„Gewalt ist die Waffe der Schwachen, Gewaltlosigkeit ist die Waffe der Starken.“ (M. Gandhi)
„Frau Feldmann, der hat mich gehauen!“
„Und, wie kannst Du jetzt darauf reagieren?“
„Ich haue zurück!“
„Dann habt ihr Streit und vielleicht sogar eine Prügelei!“
„Ich könnte einfach weggehen, aber ich bin wütend!“
„Dann mach die Wut-Übung!“
Und die geht so:
Mehrmals fest mit dem Fuß aufstampfen, drei Mal tief in den unteren Bauch hinein atmen und geräuschvoll ausatmen, auch schreien oder schimpfen sind dabei erlaubt. Papier zusammenknüllen und auf den Boden pfeffern, vielleicht sogar drauftreten (zum Schluss natürlich entsorgen), geht auch mit einem kleinen Stock oder Ähnlichem.
Im Zuge dessen haben wir auch über Mahatma Gandhi gesprochen…
„Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“
… und in der Geschichte vom „Hässlichen Entlein“ erfahren, dass Einsamkeit, Glück oder Unglück sich ebenso verändern, wie Schönheit individuell ist, dass Bewertungen relativ sind und auch Meinungen sich wandeln dürfen.
Verantwortung für die Welt übernehmen:
Zum Mitsingen für zuhause unter Anleitung der Kinder, die nun Louis Armstrong kennen.
Version von Louis Armstrong:
https://g.co/kgs/aJj3qVu
Anhand unserer Schulbeete – jede Klasse hat nun ein eigenes! – sprachen wir über die Verantwortung für die Natur, für die Blumen und Pflanzen in unseren Beeten, die wir ab nun tragen.
Auf der Fensterbank haben die Kinder Samen in die von ihnen befüllten Förmchen gesteckt, die ab sofort täglich besprüht werden müssen. Es gibt einen genauen Sprühplan dafür, und in den Osterferien werden die Pflanzgefäße manche Kinder nach Hause begleiten, um dort weiter versorgt zu werden. Was allen großes Glück beschert: wir haben beschlossen, die allerschönsten Schulbeete zu gestalten. Dazu haben die Kinder der Stöcke und Steine gesammelt, die sie bunt anmalen werden, damit sie dann die Beete säumen. Und ich sehe ein Mal mehr, wie engagiert Kinder sein können, wenn sie sich für eine Sache begeistern und ein Gefühl dafür entwickeln, wie wichtig und großartig ihr Beitrag für ihr Umfeld und die Gesellschaft ist, im Kleinen wie im Großen.
Soziale Verantwortung übernehmen:
Mama helfen: Tischdecken, aufräumen * wenn Jemand hinfällt: aufhelfen und versorgen * wenn Jemand traurig ist: Glücksdusche oder Kuscheltier leihen, Glückskarte ziehen * wenn Jemand Hunger hat: Brotzeit abgeben.
Sämtliche Kinder sind so unglaublich hilfsbereit, und sofort zur Stelle, wenn es darum geht Gutes zu tun!
Das Thema Verantwortung wird uns noch länger beschäftigen.
Im Zuge dessen haben wir ein Motto der Woche eingeführt.
Das erste lautet: Verantwortung für mich selbst übernehmen.
Und zwischendurch – nicht vergessen – immer wieder tanzen!! Denn Tanzen macht glücklich!
Vom selben Stern:
https://youtu.be/cDoHZb9vCs4?feature=shared
Glückskarten für unsere Glücksbox. Wer traurig ist, darf sich eine nehmen, auf der Rückseite stehen Komplimente, Ermunterungen oder die Einladung zu einer Umarmung, gemeinsamem Spielen etc.
„Glück ist ein kleiner Stern, der mitten in den Tag fällt.“
Kinderkonferenz
Etwa ein Mal wöchentlich findet eine Kinderkonferenz statt. Wir sitzen im Kreis, ein Kind ist Moderator, dieser reicht Bobby-Luca, unseren Stoffteddy, weiter an das Kind, das gerade sprechen möchte. Es gibt auch einen Ko-Moderator, der unterbricht, wenn ein Kind zu lange spricht oder eingreift, wenn es von Anderen unterbrochen wird. Hier reden wir darüber, was glücklich oder unglücklich macht, privat und im Klassenverbund bzw. der Schule.
Es geht um Einsamkeit, um schlagende Brüder, streitende Eltern, den Tod eines Haustieres, sich Ausgeschlossen fühlen im Freundeskreis. Manchmal gehen die Themen ganz schön in die Tiefe. Die Beteiligten zeigen Empathie und Solidarität, was zu Entlastung führt.
Eines Tages beschweren sich Einige, dass so viele Schimpfwörter benutzt werden. Wir kommen dahinter, dass sie die Wörter oft gar nicht verstehen, weder die, die sie sagen, noch die, die damit beschimpft werden.
Als ein Schüler begreift, was es mit dem Schimpfwort auf sich hat, welches er mehrmals benutzt hat, ohne zu wissen, was es bedeutet, trifft er eine Entscheidung:
Er möchte Rennfahrer werden, und das Geld seines ersten großen Sieges und seines ersten Pokals wird er an eine Organisation spenden, die Frauen in Not unterstützt. Er hat Tränen in den Augen, als er davon spricht und sitzt gleichzeitig sehr gerade auf seinen Stuhl. Es sei ihm eine Ehre, sagt er, und erzählt weiter von Bildern in seinem Kopf, die ihn nachts wachliegen lassen, nachdem er sie in irgendwelchen Filmchen im Handy seiner Eltern gesehen hat. Wir vereinbaren, dass er seine Eltern bittet, ihre Handies besser vor ihm zu verstecken.
Häufig geht es auch um Konflikte zwischen den Kindern im Klassenverbund. Bisher konnten alle gelöst werden. Die Kinder finden selbst kreative Methoden dafür und lernen, mit Unstimmigkeiten und Ungleichheiten umzugehen, indem sie sich austauschen und zugrunde liegende Ursachen aufdecken. So wächst das Verständnis für Andere und sich selbst.
In diesen Gruppengesprächen kommt es kaum zu Störungen. Es herrscht konzentrierte Stille. Alle sind sehr aufmerksam bei der Sache.
Achtsamkeit
„Man kann sich Achtsamkeit als bedingungslose Aufmerksamkeit von Moment zu Moment vorstellen. Sie wird kultiviert, indem man auf eine bestimmte Art und Weise aufmerksam ist, nämlich, im gegenwärtigen Moment, und so reaktionslos, urteilsfrei und offenherzig, wie möglich.“
(Jon Kabat-Zin)
Achtsam umgehen kann man mit einem Regenwurm, dem man vor dem Austrocknen bewahrt, mit den Vögeln, indem man ihnen im Winter Futter und im Sommer Wasser hinstellt, mit anderen Menschen, indem man sie nicht schubst, mit Spielsachen, dem Federmäppchen, beim Mittagessen, indem man sich nicht mehr auf den Teller geben lässt, als man essen kann, indem man schmutzige Schuhe auszieht bevor man das Haus betritt, mit einem Kind, das niemanden zum Spielen hat, spielt, oder dort tröstet, wo Bedarf ist… Vieles mehr haben die Kinder gefunden.
Achtsam mit mir selbst umgehen, kam nicht vor. So haben wir dies erforscht, in dem die Kinder sammelten, welche Gefühle es überhaupt gibt, um sie später nach einer Körpermeditation in ihrem eigenen Körper zu platzieren: wo sitzt die Wut, wo fühle ich Liebe, wo Trauer und Angst und Glück? Und welche Farben kann ich den Gefühlen zuordnen?
Achtsamkeitsübungen:
https://youtu.be/8VWEEGF-TtU
https://youtu.be/WOwfBfIXKNI?feature=shared
Ein Höhepunkt zu Beginn unserer gemeinsamen Stunden ist seit Kurzem, dass eine Schüler*in Lehrer sein darf. Dazu gehört, dafür zu sorgen, dass die Brotzeitpause nicht in ein wildes Durcheinander mündet und gegebenenfalls Aufgaben zu stellen oder Übungen anzuleiten wie zum Beispiel Klatsch-Spiele. Wer nicht will, muss nicht, doch die meisten wollen und setzen sich am Ende durch.
Ein weiterer Höhepunkt: eine Redakteurin und ein Fotograf der Süddeutschen Zeitung besuchten die Klasse 1b, ein paar Kinder der 1a kamen hinzu, im Unterricht, um zu erleben, wie eine Glücksstunde abläuft. Es war großartig, so dass nun gleich eine weitere Redakteurin, dieses Mal von der Abendzeitung, sich angemeldet hat.
Hier der Link zum Artikel, der in der Süddeutschen Zeitung über den Glücksunterricht herausgegeben wurde:
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/dachau/karlsfeld-verbandsgrundschule-unterrichtsfach-glueck-ganztag-grundschule-kreisjugendring-1.6411212
Inzwischen war auch die Abendzeitung bei uns:
https://www.abendzeitung-muenchen.de/muenchen/umland/ist-mein-lieblingsfach-in-einer-grundschule-bei-muenchen-gibt-es-jetzt-ganz-besonderen-unterricht-art-967303
Und zuletzt noch eine Glücksgeschichte:
Hans im Glück:
Hans hatte sieben Jahre bei seinem Herrn gedient, da sprach er zu ihm.
„Herr, meine Zeit ist herum, nun wollte ich gern wieder Heim zu meiner Mutter. Gebt mir meinen Lohn. “Der Herr antwortete: „Du hast mir ehrlich und treu gedient, wie der Dienst so soll der Lohn sein“ und gab ihm ein Stück Gold, das so groß war, wie Hansens Kopf. Hans im Glück zog sein Tüchlein hervor, wickelte den Klumpen darin ein, setzte ihn sich auf die Schulter und machte sich auf den Weg nach Hause.
Wie er so dahin ging, und immer ein Bein vor das andere setzte, kam ihm ein Reiter entgegen, der frisch und fröhlich auf einem muntern Pferd dahin trabte. „Ach“, sprach Hans ganz laut, „Was ist das Reiten ein schönes Ding! Da sitzt einer wie auf einem Stuhl, stößt sich an keinen Stein, spart die Schuh und kommt fort, er weiß nicht wie!“ Der Reiter, der das gehört hatte, rief ihm zu: „Ei, Hans, warum läufst du auch zu Fuß?“ „Ach, da muss ich den Klumpen heim tragen, es ist zwar Gold, aber ich kann den Kopf dabei nicht gerad halten, und es drückt mir auf die Schulter.“ „Weißt du was?“, sagte der Reiter und hielt an, „Wir wollen tauschen, ich geb dir mein Pferd, und du gibst mir deinen Klumpen.“ „Von Herzen gern“, sprach Hans, „aber ich sag euch, ihr müsst euch damit schleppen. “Der Reiter stieg ab, nahm das Gold und half dem Hans hinauf. Dann gab er ihm die Zügel fest in die Hand und sprach: „Wenn es nun recht geschwind soll gehen, so musst du mit der Zunge schnalzen und hopp, hopp! rufen.“ Hans war seelenfroh, als er auf dem Pferd saß und so frank und frei daher ritt. Nach einem Weilchen fiel es ihm ein, es sollte noch schneller gehen! Da fing er an, mit der Zunge zu schnalzen und hopp, hopp! zu rufen. Das Pferd setzte sich in starken Trab, und eh es sich Hans versah, war er abgeworfen, und lag in einem Graben, der die Äcker von der Landstraße trennte. Das Pferd wär auch durchgegangen, wenn es nicht ein Bauer aufgehalten hätte, der des Weges kam und eine Kuh vor sich trieb. Hans suchte seine Glieder zusammen, und machte sich wieder auf die Beine. Er war aber verdrießlich und sprach zu dem Bauer: „Es ist ein schlechter Spaß das Reiten, dazu, wenn man auf so eine Mähre gerät wie diese, die stößt und einen herab wirft, dass man den Hals brechen kann. Ich setzt mich nun und nimmermehr wieder auf. Da lobe ich mir eure Kuh, da kann einer mit Gemächlichkeit hinterher gehen, und hat obendrein seine Milch, Butter und Käse jeden Tag gewiss. Was gäb ich drum, wenn ich so eine Kuh hätte!“ „Nun“ sprach der Bauer, „geschieht euch so ein großer Gefallen, so will ich euch wohl die Kuh für das Pferd vertauschen. “Hans im Glück willigte mit tausend Freuden ein. Der Bauer schwang sich auf das Pferd, und ritt eilig davon. Hans trieb nun seine Kuh ruhig vor sich her, und bedachte den glücklichen Handel. „Hab ich nur ein Stück Brot, und daran wird mir es doch nicht fehlen, so kann ich, so oft mir es beliebt, Butter und Käse dazu essen; hab ich Durst, so melke ich meine Kuh und trinke Milch – Herz was verlangst du mehr?“
Als er zu einem Wirtshaus kam, machte er Halt, aß in der großen Freud, alles, was er bei sich hatte, sein Mittags- und Abendbrot rein auf, und ließ sich für seine letzten paar Heller ein halbes Glas Bier einschenken. Dann trieb er seine Kuh weiter, immer auf das Dorf seiner Mutter zu. Die Hitze wurde aber drückender, je näher der Mittag kam, und Hans befand sich in einer Heide, die wohl noch eine Stunde dauerte. Da ward es ihm heiß, so dass ihm vor Durst die Zunge am Gaumen klebte. „Dem Ding ist zu helfen“ dachte Hans, „Jetzt will ich meine Kuh melken, und mich an der Milch laben.“ Er band sie an einen dürren Baum, und stellte seine Leder-Mütze unter, aber so sehr er sich auch abmühte, es kam kein Tropfen Milch zum Vorschein. Weil er sich dabei aber ungeschickt anstellte, gab ihm das ungeduldige Tier mit einem der Hinterfüße einen solchen Schlag vor den Kopf, dass er zu Boden taumelte, und eine Zeit lang sich gar nicht besinnen konnte, wo er war. Glücklicherweise kam gerade ein Metzger des Weges, der auf einem Schubkarren ein junges Schwein liegen hatte. „Was sind das für Streiche?“ rief er, und half dem guten Hans auf. Hans erzählte, was vorgefallen war. Der Metzger reichte ihm seine Flasche und sprach: „Da trinkt einmal und erholt euch. Die Kuh will euch wohl keine Milch geben, das ist ein altes Tier, das höchstens noch zum Ziehen taugt oder zum Schlachten.“ “Ei, ei“, sprach Hans, und strich sich die Haare über den Kopf, „wer hätte das gedacht! es ist freilich gut, wenn man so ein Tier ins Haus abschlachten kann, was gibt es für Fleisch! aber ich mache mir aus dem Kuhfleisch nicht viel, es ist mir nicht saftig genug. Ja, aber wer so ein junges Schwein hätte, das schmeckt anders, dabei noch die Würste!“ „Hört Hans“, sprach da der Metzger, „euch zu Lieb will ich tauschen, und will euch das Schwein für die Kuh lassen.“ „Gott lohn euch eure Freundschaft,“ sprach der Hans im Glück. Er übergab ihm die Kuh, ließ sich das Schweinchen vom Karren losmachen und den Strick, woran es gebunden war, in die Hand geben.
Hans zog weiter und überdachte, wie ihm doch alles nach Wunsch ging. Begegnete ihm ein Ungemach, so würde es doch gleich wieder gut gemacht. Es gesellte sich bald darauf ein Bursche zu ihm, der eine schöne, weiße Gans unter dem Arm trug. Sie boten einander die Zeit, und Hans fing an, ihm von seinem Glück zu erzählen und wie er immer so vorteilhaft getauscht hätte. Der Bursch sagte, dass er die Gans zu einem Taufschmaus bringe: „Hebt einmal“, fuhr er fort, und packte sie bei den Flügeln, „wie sie schwer ist, sie ist aber auch acht Wochen lang genudelt worden. Wer in den Braten beißt, muss sich das Fett von beiden Seiten abwischen.“ „Ja“, sprach Hans, und wog sie mit der einen Hand, „die hat ihr Gewicht, aber mein Schwein ist auch keine Sau.“ Indessen sah sich der Bursch nach allen Seiten ganz bedenklich um, schüttelte auch wohl mit dem Kopf. „Hört, fing er darauf an, mit eurem Schweine mags nicht ganz richtig sein. In dem Dorfe, durch das ich gekommen bin, ist eben dem Schulzen eins aus dem Stall gestohlen worden. Ich fürchte, ich fürchte, ihr habt es da in der Hand, es wäre ein schlimmer Handel, wenn sie euch damit fänden, das geringste ist, dass ihr ins finstere Loch gesteckt werdet.“ Dem guten Hans ward bang: „Ach Gott“, sprach er, „helft mir aus der Not! Ihr wisst hier besser Bescheid. Nehmt mein Schwein und lasst mir eure Gans.“
„Ich muss schon etwas aufs Spiel setzen, antwortete der Bursche, aber ich will doch nicht Schuld sein, dass ihr ins Unglück geratet.“ Er nahm also das Seil in die Hand, und trieb das Schwein schnell auf einem Seitenweg fort. Der gute Hans im Glück aber ging seiner Sorgen entledigt mit der Gans unter dem Arm seiner Heimat zu.
„Wenn ich es recht überlege“, sprach er mit sich selbst, „habe ich noch Vorteil bei dem Tausch, erstlich den guten Braten, hernach die Menge von Fett, die herausträufeln wird, das gibt Gänsfettbrot auf ein viertel Jahr, und dann noch die schönen weißen Federn! Die lasse ich mir in mein Kopfkissen stopfen und darauf will ich wohl ungewiegt einschlafen. Was wird meine Mutter eine Freude haben!“
Als er durch das letzte Dorf gekommen war, stand da ein Scherenschleifer mit seinem Karren, und sang zu seiner schnurrenden Arbeit: „Ich schleife die Schere und drehe geschwind, und hänge mein Mäntelchen nach dem Wind!“ Hans blieb stehen und sah ihm zu. Endlich redete er ihn an und sprach: „Euch geht es auch wohl, weil ihr so lustig bei eurem Schleifen seid.“ „Ja“, antwortete der Scherenschleifer, „das Handwerk hat einen güldenen Boden. Ein rechter Schleifer ist ein Mann, der so oft er in die Tasche greift auch Geld darin findet. Aber wo habt ihr die schöne Gans gekauft?“ „Die hab ich nicht gekauft, sondern für mein Schwein eingetauscht.“ „Und das Schwein?“ „Das hab ich für eine Kuh gekriegt.„ „Und die Kuh?“ „Die hab ich für ein Pferd bekommen.“ „Und das Pferd?“ „Dafür hab ich einen Klumpen Gold, so groß als mein Kopf gegeben.“ „Und das Gold?“ „Ei, das war mein Lohn für sieben Jahre Dienst.“ „Ihr habt euch jederzeit zu helfen gewusst“, sprach der Schleifer, „könnt ihr es nun dahin bringen, dass ihr das Geld in der Tasche springen hört, wenn ihr aufsteht, so habt ihr euer Glück gemacht.“ „Wie soll ich das anfangen?“ sprach Hans. „Ihr müsst ein Schleifer werden, wie ich, dazu gehört eigentlich nichts als ein Wetzstein, das andere findet sich schon von selbst. Da hab ich einen, der ist ein wenig schadhaft, dafür sollt ihr mir aber auch weiter nichts als eure Gans geben, wollt ihr das?“ „Wie könnt ihr noch fragen?“, antwortete Hans, „Ich werde ja zum glücklichsten Menschen auf Erden, hab ich Geld, so oft ich in die Tasche greife, was brauche ich da zu sorgen!“ und reichte ihm die Gans hin. „Nun,“ sprach der Schleifer und hob einen schweren, gewöhnlichen Feldstein, der neben ihm lag auf, „da habt ihr auch noch einen tüchtigen Stein dazu, auf dem sich`s gut schlagen lässt und ihr eure alten Nägel gerad klopfen könnt. Nehmt ihn und hebt ihn ordentlich auf.“
Hans im Glück lud den Stein auf und ging mit vergnügtem Herzen weiter, seine Augen leuchteten vor Freude und er sprach für sich: „Ich muss in einer Glückshaut geboren sein, alles, was ich wünsche trifft mir ein, wie einem Sonntagskind.“ Indessen, weil er seit Tagesanbruch auf den Beinen gewesen, begann er müde zu werden. Auch plagte ihn der Hunger, da er allen Vorrat auf einmal in der Freude über die erhandelte Kuh, aufgezehrt hatte. Er konnte schließlich nur mit Mühe weiter gehen und musste jeden Augenblick Halt machen, dabei drückten ihn die Steine ganz erbärmlich. Da konnte er sich des Gedankens nicht erwehren, wie gut es wäre, wenn er sie gerade jetzt nicht zu tragen brauchte. Wie eine Schnecke kam er zu einem Feldbrunnen geschlichen, da wollte er ruhen und sich mit einem frischen Trunk laben; damit er aber die Steine im Niedersitzen nicht beschädigte, legte er sie bedächtig neben sich auf den Rand des Brunnens. Darauf drehte er sich um, und wollte sich zum Trinken bücken, da versah er es, stieß ein klein wenig an, und beide Steine plumpsten hinab. Der Hans im Glück, als er sie mit seinen Augen in der Tiefe des Brunnens hatte versinken sehen, sprang vor Freude auf, kniete dann nieder und dankte Gott mit Tränen in den Augen, dass er ihm auch diese Gnade erwiesen und auf eine so gute Art von den Steinen befreit, das sei das einzige, was ihm noch zu seinem Glück gefehlt. „So glücklich wie ich, rief er aus, gibt es keinen Menschen unter der Sonne.“ Mit leichtem Herzen und frei von aller Last sprang Hans im Glück nun, bis er daheim bei seiner Mutter war.
Ich wünsche uns allen viel Freude beim Beobachten in der Natur: es gleicht einem Wunder, wie aus den winterschwarzen Ästen grüne Blätter oder bunte Blüten treiben, wie die ersten Frühlingsblumen aus der Erde stoßen. Das Rad des Lebens dreht sich unaufhörlich, tröstlich und verlässlich weiter und nach jedem Winter folgt ein Frühling, wie nach jedem Regen irgendwann die Sonne wieder strahlt.
(Quellen: *) Gesine Palmer: Deutschlandfunk Kultur)